Greifbare Zeit

Archäologie und Denkmalpflege auf der Insel Rügen

Kategorie-Archiv: Geschichte und Archäologie

Das Großsteingrab bei Mariendorf, Insel Rügen

In der Karte Friedrich von Hagenows (1829) ist auf dem Buchstaben „M“ des Ortsnamens „Middelhagen“ ein steinzeitliches Großsteingrab der Form 2 verzeichnet. Es wurde auch noch im preußischen Urmesstischblatt (1838) kartiert, doch nach 1904, nach der tabellarischen Auflistung bei Rudolf Baier (Vorgeschichtliche Gräber auf Rügen und in Neuvorpommern, Greifswald 1904), verliert sich die Spur. Wie die meisten Großsteingräber der Insel Rügen wurde das Mariendorfer Grab am Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund von Rationalisierungszwängen in der Landwirtschaft zerstört. Die in den alten Karten verzeichnete Stelle konnte 2012 auf einem Acker nördlich des Ortes Mariendorf am südöstlichen Rand einer Feuchtniederung lokalisiert werden.

Das Grab bei Mariendorf auf der Karte F. von Hagenows 1829.

Das Grab bei Mariendorf , Insel Rügen, auf der Karte F. von Hagenows 1829.


Hier fiel eine leichte, aber deutlich wahrnehmbare, auf ca. 30 m breitgezogene Erhebung auf. Es war die einzige Anhöhe auf dem Acker zwischen Niederung und Ortslage Mariendorf. In der Mitte befanden sich mehrere Granittrümmer und Fragmente von Rotsandsteinplatten, mit denen das Trockenmauerwerk zwischen den Trägersteinen der Grabkammer ausgeführt wurde.

Die einzige Abbildung vom prähistorischen Steinkreis bei Krakow, Insel Rügen

Die Aufzeichnungen und Skizzen Friedrich von Hagenows vom Anfang des 19. Jahrhunderts galten bis heute als die einzigen bildlichen Darstellungen der neolithischen Großsteingräbergruppe bei Krakow östlich der ehemaligen Kreisstadt Bergen auf Rügen (H. Berlekamp, Nachrichten über zerstörte Großsteingräber der Insel Rügen. Greifswald-Stralsunder Jahrbuch 2, 1962, 9-15). Zusammen mit Beschreibungen von L. Th. Kosegarten (1782) und J. J. Grümbke (1819) lassen sie aber nur ein undeutliches Bild von der großartigen Nekropole entstehen, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts von Steinschlägern zerstört wurde.
2009 entdeckte ich im Ernst-Moritz-Arndt Museum Garz ein Skizzenbuch des Lehrers Paul Grützmacher, der Ende des 19. Jahrhunderts an der Schule in Bergen als Konrektor unterrichtete. Auf Seite 3 ist ein Hügelgrab in einer ungewöhnlichen Setzung aus mindestens 13 stelenartigen Steinblöcken dargestellt. Die Beischrift gibt Auskunft über das Motiv: „früheres Hügelgrab bei Krakow“. Das Skizzenbuch soll in der Schriftenreihe der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft veröffentlicht werden.

Krakow, Insel Rügen. Hügelgrab mit Steinsetzung.

Krakow, Insel Rügen. Hügelgrab mit Steinsetzung.

Das Sperrwaffenarsenal Tilzow

Nach Angaben eines Zeitzeugen aus Bergen auf Rügen befand sich im Waldgebiet Mölln-Medow südöstlich von Bergen zwischen 1943 und 1945 das „Sperrwaffenarsenal Tilzow“ der deutschen Reichsmarine. Die Anlage bestand aus einem Netz von Schmalspurschienen, entlang denen sich Bunker (Größe ca. 20 m x 30 m) für Seeminen perlschnurartig aufreihten. An der Bahnstrecke Putbus-Bergen, in der Nähe des Ortes Neklade, befand sich ein Bahnhof. Im Norden, außerhalb des eigentlichen Arsenals, lag die Kommandantur und Wohnblöcke für die Sprengmeister. Die Gebäude sind noch erhalten. Nach einem Abschlußbericht der „Abteilung für Sozialfürsorge“, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv verwahrt wird, erfolgte 1947 die Sprengung und Demontage der Bunkeranlagen auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht. Später wurde das Areal von der rakententechnischen Abteilung der 6. Flottille der Volksmarine der DDR weiterhin zu militärischen Zwecken genutzt und war nicht öffentlich zugänglich. Im Gelände sind zahlreiche Spuren der gesprengten Bunkeranlagen, Metallrelikte, Bombenkrater und die Dämme der Schmalspurbahn erhalten. Anhand der topographischen Karte 1:10000 und eigenen Kartierungen konnte ein schematischer Plan der Anlage erstellt werden.

Tilzow, Insel Rügen. Sperrwaffenarsenal.

Tilzow, Insel Rügen. Sperrwaffenarsenal.


Mölln-Medow Forst, Insel Rügen. Gesprengte Bunkeranlagen des Sperrwaffenarsenals.

Tilzow, Insel Rügen. Gesprengte Bunkeranlagen des Sperrwaffenarsenals.

Prähistorische Steinkisten bei Alt Reddevitz

In der Karte Friedrich von Hagenows (1829) sind am westlichen Ende der Halbinsel Alt Reddevitz oberhalb der „Kuhle“ zwei vorgeschichtliche Steinkisten vom Typ 1 verzeichnet. Diese Gräber sind nicht in den offiziellen Listen der Bodendenkmale erfasst. Rudolf Baier (R. Baier, Vorgeschichtliche Gräber auf Rügen und Neuvorpommern, Greifswald 1904) erwähnte S. 17, dass die Gräber zerstört wurden.

Alt Reddevitz, Insel Rügen. Zerstörte Steinkisten.

Alt Reddevitz, Insel Rügen. Zerstörte Steinkisten.


Am 24.03.2012 konnten an der mit Hilfe der Karte ermittelten Stelle folgende Beobachtungen gemacht werden: Von dem am Wegrand aufgestellten Höhenpunkt 32,9 verläuft eine Ackerspur Richtung Süden auf ein dichtes Feldgehölz, an dessen Rand sich ein verfallener Jagdanstand befindet. In diesem Gehölz liegt ein in Ost-West-Richtung verlaufender Hügel (L. ca. 40 m) aus faustgroßen Rollkieseln. Am östlichen Ende des Hügels befindet sich eine Ansammlung von Granit- und Rotsandsteinplatten. Ein Granit weist das halbe Bohrloch einer Sprengung auf. Bei dem Hügel handelt es sich vermutlich um einen Lesesteinhaufen mit Material aus einem der zerstörten Steingräber.

50 m westlich der Stelle liegt ein weiteres Feldgehölz. Es besteht aus undurchdringlichen Schlehengewächsen. An einem Tierwechsel sind Granitblöcke zu erkennen. Vermutlich handelt es sich um das zweite der zerstörten Steingräber. Die Stelle befindet sich am südlichen Ausläufer einer flauen Geländekuppe, an der nach der topographischen Karte 1:25000 (1885) eine Bake gestanden hat.

Zerstörungen an Großsteingräbern auf Rügen während der NS-Zeit

Im zweiten Teil der „Denkschrift über Vorgeschichte“, einer 1939 im SD-Hauptamt verfassten „Personalstudie“ über das Fach Vor- und Frühgeschichte im Dritten Reich, wurde als „Pfleger für die vorgeschichtlichen Bodenaltertümer im Kreis Rügen“ Dr. Carl Gustav von Platen, Gutsverwalter unter Malte von Putbus (1889-1945), Historiker und Verfasser zahlreicher Schriften zur rügenschen Geschichte, aufgelistet. Die Gesamtbeurteilung des Mannes durch das SD-Hauptamt fiel allerdings negativ aus: Seine Verdienste in der Rugierforschung seien unbedeutend und er habe geduldet, dass zwei von Alfred Haas entdeckte Gräber zerstört und zur Steingewinnung benutzt wurden. Bei den zerstörten Gräbern handelte es sich wahrscheinlich um die beiden von Alfred Haas 1921 publizierten Großsteingräber neben der Bahnlinie Bergen – Putbus im Pastitzer Forst. Da Funde und Fundakten zu diesen Gräbern seit dem 2012 vollzogenen Austausch zwischen dem Muzeum Narodowe w Szczecinie und dem Kulturhistorischen Museum Stralsund zugänglich sind, ist es jetzt möglich, weiteren Hinweisen nachzugehen. In einem zur Akte gehörenden Brief des Greifswalder Professors Wilhelm Petzsch an Otto Kunkel, den Direktor des Provinzialmuseums Stettin vom Oktober 1932 geht es um diese beiden Gräber: „Der Finder ist seit Jahren in Amerika; sein Vater weiß aber genau, dass die Sachen zusammen in Pastitz gefunden sind. Möglicherweise handelt es sich um das 1894 geöffnete Grab, das ich in meiner Steinzeit Rügens Taf. VIII Nr. 1 a. b. abbilde, oder ein gleiches, das auf der anderen Seite der Bahnstrecke Bergen-Putbus liegt und von dem Finder zuerst entdeckt ist (vor 1920).“ Bezog sich die Kritik des SD-Hauptamts auf dieses Szenario?

Pastitz Forst, Insel Rügen. Eines der wenigen Dokumentationsfotos von Dr. W. Böttcher. Das Bild zeigt die ausgeräumte Grabkammer.

In der „Denkschrift für Vorgeschichte“ fand sich noch eine zweite Spur über Zerstörungen von Großsteingräbern während der NS-Zeit. Es ging um den Lehrer an der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt in Putbus, Dr. StudR. Werner Böttcher. Das SD-Hauptamt vermerkte, dass sich der SD-Oberabschnitt Nord in Stettin, auf Empfehlung des oben genannten Dr. Carl Gustav von Platen, für ihn einsetzen würde. So ließe sich erklären, dass Dr. Werner Böttcher in der NS-Zeit unautorisierte und undokumentierte Ausgrabungen im Pastitzer Forst durchführen konnte. Erst 1971 wurden einige seiner Aktivitäten durch die Publikation von Ingeburg Nilius aufgedeckt und öffentlich bekannt.

Literatur:

Alfred Haas, Zwei Hünenbetten in der Pastitzer Forst. Monatsblätter 21, 1921, 10-12.

Ingeburg Nilius, Das Neolithikum in Mecklenburg zur Zeit und unter besonderer Berücksichtigung der Trichterbecherkultur, Schwerin 1971.

Wilhelm Petzsch, Die Steinzeit Rügens. Greifswalder Mitteilungen 3, 1928.

Grabfunde aus dem Pastitzer Forst

Pastitz Forst, Insel Rügen. Neolithische Keramik.

Pastitz Forst, Insel Rügen. Neolithische Keramik.

Neolithische Grabfunde aus dem Pastitzer Forst zwischen Putbus und Bergen waren seit dem Ende des 2. Weltkriegs im Muzeum Narodowe Szeczecinie (Stettin) magaziniert und unzugänglich. Im Rahmen eines Austauschs von Kulturgütern wurden die Funde, einschließlich der dazugehörigen Fundakten, aus den Beständen des ehemaligen Provinzialmuseums im September 2012 dem Kulturhistorischen Museum in Stralsund übergeben.

Frottage vom Schälchenstein an der Waldhalle bei Sassnitz

In der Nähe des Restaurants „Waldhalle“, im Nationalpark Jasmund bei Sassnitz auf der Insel Rügen, liegt unmittelbar am Wegrand ein sogenannter Schälchenstein aus vorgeschichtlicher Zeit. Es handelt sich hier um einen besonders großes Exemplar (Länge: 310 cm), das nicht nur mit über 100 Schälchen bedeckt ist, sondern auch eine ovale Reibmulde zum Anschleifen von Steingeräten aufweist. Den Stein entdeckte 2001 der Sassnitzer Lehrer Holger Menzel-Harloff. Nach Anmeldung beim Nationalparkamt startete ich während der Ferien mit den Kindern den Versuch, eine Frottage des interessanten Objekts anzufertigen. Ausgestattet mit Packpapier, Klebeband, Graphitpulver und Wischtuch machten wir uns an die Arbeit.

Frottage, Arbeitsmaterial

Frottage, Arbeitsmaterial


Leider war der Stein ziemlich mit Moos zugewachsen – die Natur musste im Natianlapark natürlich unangetastet bleiben. So wurde die Frottage etwas unscharf. Über den Stein legte ich das Packpapier und befestigte es an den Rändern mit Klebeband. Dann füllte ich in das mitgenommene Marmeladenglas etwas Graphitpulver, tauchte den Lappen ein und rieb dann über dem Packpapier die Oberfläche des Schälchensteins ab. Mit den gesammelten Erfahrungen werden wir die Aktion fortsetzen, z. B. an mittelalterlichen Grabsteinen in der Marienkirche von Stralsund.
Frottage. Bei der Arbeit.

Schälchenstein bei der Waldhalle. Bei der Anfertigung einer Frottage.

Der Schlossberg bei Sassnitz: Die älteste Burg auf Rügen

In keiner Region Mecklenburg-Vorpommerns gibt es so viele Burgwallanlagen wie auf der Insel Rügen. Die meisten davon stammen aus der Zeit der slawischen Ranen, die sich wegen ihrer besonders großen Aggressivität viele Feinde gemacht hatten und sich deshalb vor Gegenangriffen schützen mussten. Aber es gibt auf Rügen auch eine kleine Anzahl von Befestigungsanlagen, die sich aufgrund der bislang geborgenen geringen Anzahl an Fundstücken der vorslawischen Zeit zuweisen lassen. Diese Burgwälle haben sich, durch Wald geschützt, am Ostrand der Insel in einem Dreieck zwischen Stubnitz, Granitz und Pastitzer Forst erhalten. Im landwirtschaftlich intensiv genutzten Westteil Rügens und auf Wittow dürften derartige Wallanlagen im Laufe der Zeit dem Pflug zum Opfer gefallen sein. Schon in forschungsgeschichtlich früher Zeit sind die Burgwälle auf großes Interesse gestoßen. 1819 legte J. J. Grümbke eine erste Übersicht vor (Grümbke 1819), 1872 publizierte R. Baier die Planzeichnungen und Ergebnisse früher Sondagen einer vom Preußischen König 1868 berufenen Burgwallkommission (Baier 1872). Weitere Inventare wurden 1910 durch A. Haas (Haas 1910), 1927 durch W. Petzsch (Petzsch 1927) und 1932 durch O. Kunkel (Kunkel 1932) erarbeitet. Die jüngsten Untersuchungen fanden im Rahmen der Grabungen statt, die im Randbereich und im Hinterland des slawisch-wikingischen Seehandelsplatzes Ralswiek zwischen 1972 und 1989 durchgeführt wurden (Herrmann 1998).

Burgwall „Schlossberg“

Der größte und bislang auch älteste der vorslawischen Burgwälle, der „Schlossberg“, liegt 200 m südlich des Forsthauses Werder unmittelbar am Steilhang des Steinbachs auf einem von Sumpfgebieten und Steilhängen umgrenzten Sporn im ehemaligen „Kronwald Stubnitz“, dem heutigen „Nationalpark Jasmund“. Das Betreten des Geländes ist nur nach vorheriger Anmeldung bei der Nationalparkverwaltung möglich.

Sassnitz, Insel Rügen. Panorama des Schlossbergs.

Sassnitz, Insel Rügen. Panorama des Schlossbergs.

Die strategische Funktion zum Schutz der Hochfläche und zur Beherrschung des Zugangs in die Siedlungskammern Jasmunds lässt sich in der Bauweise des Burgwalls ablesen. So stellte die Front zum Steinbach durch die Ausnutzung des Steilhangs mit einer Gesamthöhe von 20 m ein unüberwindliches Hindernis dar. Der einzige Zugang vom Bachtal führte über einen zunächst parallel zum Wall verlaufenden Weg zu einer Toranlage. Während die Höhe der eigentlichen Wallaufschüttung am Steilhang mit 1,50 m nur gering zu sein brauchte, musste die zur Siedlungskammer gelegene Rückseite dagegen höher ausgebildet und durch zusätzliche Gräben mit einer Breite von bis zu 18 m geschützt werden. Nach Nordosten, wo das Gelände bis zu einer Höhe von 125 m ü. NN. ansteigt, war der Wall mit 3,50 m am höchsten. Das südwestliche Viertel des Burgwalls wurde in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch eine Kiesgrube zerstört. Die vor dem Abbau abgeschobenen Deckschichten sind am Rand der Grube wallartig abgelagert, was das Erscheinungsbild des Burgwalls erheblich verfälscht. Auf der zur Siedlungskammer gelegenen Feldseite waren Wall und Graben an drei Stellen unterbrochen. Es bleibt im Dunkeln, weshalb eine dadurch hervorgerufene Schwächung der Befestigung zugunsten einer bequemeren Durchlässigkeit in Kauf genommen wurde. Die Durchlässe waren unterschiedlich breit. Die beiden westlichen, die zwischen 2,50 m und 2,80 m breit waren, könnten als Nebenpforten gedient haben. Das nach Nordosten gerichtete Tor bildete mit einer Breite von ca.18 m den Haupteingang von der Siedlungskammer in den Burgwall. Im westlichen Drittel der Wallöffnung ist eine schwache, ca. 1 m hohe Erhebung wahrnehmbar, die auf eine weitere Innengliederung der Toranlage zurückgehen könnte. Es ist auch denkbar, dass der Bereich des Tores in sehr viel späterer Zeit erweitert worden ist. Die ca. 1,8 ha große Innenfläche ist eben. Entlang des südöstlichen Wallabschnitts befinden sich flache Gruben, die als Entnahmestellen für die Wallaufschüttung gedient haben könnten.
Auf Vermutungen gestützte Datierungen des Burgwalls bewegen sich zwischen der Neuzeit und der Jungsteinzeit. Sie können hier unberücksichtigt bleiben. Einen ersten Anhaltspunkt fanden im Juli 1939 O. Kunkel und H.-G. Hackbarth, die am Schlossberg einen Profilschnitt ansetzten und in den hinter dem Wall gelegenen Gruben neolithische Keramik fanden (Herrmann 1998). Grabungsbericht und Funde sind allerdings seit dem 2. Weltkrieg verschollen und daher nicht nachprüfbar. Die durch den Grabungsschnitt verursachte Beschädigung des Walls ist auf der Nordseite noch als 2 m breiter Graben erkennbar. In den Jahren seit 1989 wurden auch einige Oberflächenfunde vom Schlossberg gemeldet, so Flintabschläge, das Fragment einer spätneolithischen oder frühbronzezeitlichen Feuersteinsichel, unbestimmbare vorgeschichtliche Keramik und eine Reibkugel. Diese Funde legen eine Datierung im Zeitraum vom Spätneolithikum bis in die Bronzezeit nahe.

Burgwall „Der Hengst“

Etwa 1,3 km östlich befindet sich eine zweite vorslawische Wallanlage in einer ähnlichen strategischen Position wie der „Schoßberg“. In historischen Flur- und Seekarten wurde sie wegen der charakteristischen Ansicht von der Seeseite her als „Sattel auf dem Hengst“ oder kurz „Der Hengst“ bezeichnet. Das Bauwerk beherrschte einen Übergang über die Schlucht des Lenzer-Bachs und einen weiteren, allerdings untergeordneten Zugang in die Siedlungsgebiete Jasmunds, der hier über die Mündungsschlucht des Lenzer-Baches erfolgte. Wegen der unmittelbaren Lage am aktiven Kliff kann die ursprüngliche Größe und Form der Wallanlage nicht mehr bestimmt werden. Erhalten ist nur noch ein halbmondförmiges Kreissegment mit einer Öffnung im Westen. Die Innenfläche steigt pultartig nach Osten an. Im Norden und Osten außerhalb des Walls befinden sich große Gruben, die vielleicht den Rest eines zugeschütteten Grabens darstellen. Vom Walldurchbruch zum Lenzer-Bach führt ein niedriger Vorwall, dem im Westen ein flacher Graben vorgelagert ist.

Im Burgwall „Hengst“ wurden 1941 durch C. Engel archäologische Untersuchungen in Form von Sondageschnitten vorgenommen. Funde und Grabungsdokumentation, bestehend aus Feldzeichnungen und Korrespondenz, sind in die Sammlung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald gelangt. Die in Greifswald erhaltene Korrespondenz belegt, dass die Datierung des Fundmaterials zunächst kontrovers diskutiert wurde. Bei einer aktuellen Sichtung wurde Keramik mit typischen Verzierungsmustern des Neolithikums, Scherben von doppelkonischen Gefäßen der jüngeren Bronzezeit und Fragmente einer Schale mit eingezogenem Boden der vorrömischen Eisenzeit bestimmt. Dieser Burgwall könnte somit zeitweilig gleichzeitig mit dem „Schlossberg“ bestanden haben und die ähnliche strategische Position lässt vermuten, dass beide Burgwälle zu einem zusammenhängenden Befestigungssystem gehört haben.

Die Siedlungskammer

Durch intensive Feldforschung im Bereich von Jasmund schält sich im Hinterland der nördlichsten der vorslawischen Burgwälle, dem „Schlossberg“ und dem „Hengst“, immer deutlicher ein zusammenhängender vorgeschichtlicher Siedlungsraum heraus (Lampe 1974).

Sassnitz, Insel Rügen. Siedlungskammer beim Schlossberg.

Sassnitz, Insel Rügen. Siedlungskammer beim Schlossberg.

Die topographische Lage der Burgwälle macht deutlich, dass die Siedlungskammer von der Seeseite her Angriffen ausgesetzt war, die einen besonderen Schutz erforderten. Der „Schlossberg“ beherrschte einen wichtigen Zugang von der Ostsee ins Binnenland. Dieser führte aus dem Gebiet der späteren Fischersiedlung Sassnitz entlang einer vom Steinbach durch den Riegel der „Crampaser-„, „Rabenin-„ und „Swinwole-Berge“ eingegrabenen Schlucht zu den 1,5 km² großen Hochflächen „Colzow“ und „Broiken“ sowie weiteren Hochlagen Jasmunds. Diese bildeten vermutlich die durch den Burgwall zu schützenden Siedlungs-, Weide- und Ackerflächen. Ein archäologischer Nachweis der Flurrelikte steht allerdings noch aus. Indirekte Belege für die menschliche Besiedlung stellen die zahlreichen Grabhügel am Rand dieser Fläche dar, von denen eines in der Nähe vom „Schlossberg“ gelegenen Gräber 1939 von C. Engel ausgegraben wurde (Engel 1940). In dem Hügel befanden sich eine zentrale Primärbestattung der älteren Bronzezeit und mehrere Nachbestattungen, die bis in die mittlere Bronzezeit reichten. Ferner sind in dem Gebiet zwei Schälchensteine nachgewiesen, davon einer unmittelbar vor dem mittleren Tor des Schlossbergs. In der „Spezial Charte der Insel Rügen“, in der Friedrich von Hagenow 1829 die damals bekannten Bodendenkmale kartierte (von Hagenow 1829), ist nördlich des Schlossbergs im Bereich „Broiken“ auch ein vermutlich mittelneolithisches Großsteingrab verzeichnet.

Resümee

Im Osten der Insel Rügen wurde eine Anzahl von Burgwällen benannt, die nach Bodenfunden in die vorslawische Zeit datieren. Von diesen konnte im Bereich der Burgwälle „Schlossberg“ und „Hengst“ auch die zugehörige Siedlungskammer erfasst werden. Aufgrund der topographische Lage der Burgwälle konnten Anhaltspunkte dafür gewonnen werden, dass die Siedlungskammer vermutlich vor Angriffen von See her geschützt wurde. Das wäre ein Hinweis für die Verwicklung Rügens in kriegerische Auseinandersetzungen der Ostseevölker in vorgeschichtlicher Zeit.

Literaturverzeichnis

Baier 1872
R. Baier, Die Burgwälle der Insel Rügen nach den auf Befehl Sr. Majestät des Königs im Sommer 1868 unternommenen Untersuchungen. – Baltische Studien 24, 234-290.

Engel 1940
C. Engel, Ein altbronzezeitliches Hügelgrab bei der Oberförsterei Werder in der Stubnitz auf Rügen. – Mitteilungen aus dem vorgeschichtlichen Seminar der Universität Greifswald 11/12, 86-99.

Grümbke 1819
J. J. Grümbke, Neue und genaue geographisch-statistisch-historische Darstellungen von der Insel Rügen und dem Fürstenthume Rügen. Berlin.

Haas 1910
A. Haas, Beiträge zur Kenntnis der rügenschen Burgwälle. – Baltische Studien Neue Folge 14, 33-83.

Herrmann 1998
J. Herrmann, Ralswiek auf Rügen. Die slawisch-wikingischen Siedlungen und deren Hinterland. Teil II – Kultplatz, Boot 4, Hof, Propstei, Mühlenberg, Schloßberg und Rugard. – Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 37. Schwerin.

Kunkel 1932
O. Kunkel, Burgwallforschung in Pommern. – Pommersche Heimatpflege 3, 81-92. Stettin.

Lampe 1974
W. Lampe, Die oberirdischen Bodendenkmäler der Stubnitz, Kr. Rügen. – Ausgrabungen und Funde 19, 179-186.

Petzsch 1927
W. Petzsch, Rügens Burgwälle und die slawische Kultur der Insel. – Natur und Kulturdenkmäler der Insel Rügen VII. Bergen auf Rügen.

von Hagenow 1829
F. von Hagenow, Special Charte der Insel Rügen nach den neuesten Messungen unter Benutzung aller vorhandenen Flurkarten entworfen. Berlin.

Opfersteine auf Rügen

Vortrag am Mittwoch, 29. August 2001, 19.00 im Grundtvighaus Sassnitz.

Als die im humanistischen Bildungsmilieu geformte Intelligentia des frühen 19. Jahrhunderts – Lehrer und Geistliche – an der Vorgeschichte des eigenen Landes Interesse gefunden hatten, versuchten Sie viele Phänomene mit Hilfe antiker Schriftüberlieferung zu erklären.

Theobul Kosegarten, Pfarrer von Altenkirchen, deutete einen Befund bei Krakow in der Nähe von Bergen 1782 so:

„Diese schauervolle Gegend liegt eine halbe Stunde von Bergen. Sie ist ganz mit Dornbüschen bedeckt, durch die man sich nicht ohne Mühe den Weg zu den Grabhügeln bahnt … Längliche Vierecke, etwa zehn Schuh tief in die Erde gegraben, die Wände mit gehauenen Steinen ausgesetzt, und bedeckt mit einem einzigen Stein von ungeheurer Größe, der oben völlig glatt und in der Mitte zuweilen eingeschnitten ist, so daß diese Grabmale auch zu Opfersteinen scheinen gedient zu haben, worauf man den gefallenen Helden die Gefangenen schlachtete“.

Ein anderer Fund in der Nähe des inzwischen untergegangenen Ortes Quoltitz wurde von seinem Amtskollegen dem Pfarrer von Bobbin, Frank, um 1800 so gedeutet:

„ Westlich von den Quoltitzer Bergen auf Rügen und zwar am Fuße derselben mitten in einem tiefen weiten Thale, welches ein erhabener Hügelring und niedrige Gesträuche einschließen, findet man einen großen gewiß uralten Opferstein – eine denkwürdige Reliquie des frommen Wahnes unserer Vorältern. Es ist ein roher Granitblock… Nicht weit von dem einen Ende desselben ist quer über in den Rücken eine breite tiefe Furche eingemeisselt, welche als eine ordentliche Rinne das dampfende Blut der über diesem Steine geschlachteten Opfertiere fast bis zur Erde herableitete, wo der Priester alsdann solches in geweihten Schalen auffing und aus dessen Farbe und Beschaffenheit die Geschichten der Zukunft las. Eiskalte Schrecken rieselten durch meine stockenden Adern, das Mark rührte sich fühlbar in meinen innersten Röhren und ich floh diese Ansicht…“

Welche antike Überlieferung konkret für diese Interpretationen herangezogen worden war ist nicht mehr mit Sicherheit zu entscheiden. Die Steine wurden aber offenbar mit dem Begriff „Altar“ verknüpft, einem aus dem lateinischen „altaria=Brandstätte, Opferherd“ abgeleiteten Substantiv für eine natürliche oder künstliche Erhebung über dem Boden, die der Kommunikation eines Opfers an die göttlichen Mächte diente. Aus Überlieferungen bei Homer und später bei Lukian und anderen Schriftstellern der Antike ging hervor, daß sorgfältig zwischen der altarlosen Opferdarbringung in einer ausgehobenen Grube für die „inferi“ (=Unterweltsgottheiten), der auf der flachen Erde durchgeführten Opferung für die „terrestres“ (=Erdgötter) und den durch einen Altar bewußt erhöhten Opfer für die „superi“ (Himmelsgötter) unterschieden wurde.

„Will jemand ein Schaf als Opfergabe darbringen, lege er seine Hand auf den Kopf des Opfers und schlachte es. Die Priester sollen das Blut ringsum an den Altar spritzen. Als Feueropfer soll dann dargebracht werden: der Fettschwanz – dicht am Schwanzbein abgelöst – ferner das Fett, das die Eingeweide bedeckt samt allem Fett an den Eingeweiden, die beiden Nieren nebst dem Fett an ihnen, an den Lenden und den Leberlappen; bei den Nieren löse er es ab. Der Priester soll es auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen als eine Feueropferspeise für Gott zu lieblichem Wohlgeruch (Leviticus)“.

Auch Friedrich von Hagenow, der Anfang des 19. Jahrhunderts an der ersten archäologischen Karte der Insel Rügen arbeitete, führte die „Opfersteine“ als archäologische Fundgruppe auf und hob als Beweis für ihre rituelle Funktion die Rinne, die Nähe zum Wasser und zu vorgeschichtlichen Grabmälern in der Umgebung hervor. Dem folgte 1886 R. Baier, der die bis dahin bekannten Opfersteine von Rügen mit dem neu entdeckten Näpfchenstein (Schälchenstein) vor dem Burgwall „Schloßberg“ im Forst Werder in einen Zusammenhang stellte. Den Forschungsstand aus der Sicht der Archäologie zusammenfassend schrieb er: „Dass die Steine zu Opferzwecken gedient haben werden, ist in Ermangelung einer besseren Deutung wohl anzunehmen“. Auch W. Wegewitz, der zwischen Rillen- und Rinnensteinen unterschied, hatte für die Funde aus seinem Arbeitsbereich noch 1983 keinen Zweifel daran, daß unsere Denkmäler „Zeugen eines Fruchtbarkeitskultes“ sind. D. Schünemann schloß sich 1987 teils dieser Auffassung an, teils folgerte er aus der Befragung von Steinmetzen, daß einige wenige Rillen und Rinnen auch auf rezente Steinspaltungsversuche zurückgehen könnten. Jedenfalls blieb bis in die jüngste Zeit um Rügens „Opfersteine“ eine „mystische Aura“ erhalten, die in phantasievollen Pseudosagen und rezenten Münzdeponierungen in Spalten und Vertiefungen der Steine von Quoltitz und Insel Vilm belegbar war.

Auf die wirtschaftliche Bedeutung der Großgeschiebe Rügens als Ressource für Baumaterial und die darauf zurückgehenden Spuren am Gestein und in der Landschaft wurde dagegen seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Geowissenschaftler H. Schmidt und W. Schulz hingewiesen. Das Gestein, insbesondere Granite aus Smöland, Blekinge und Bornholm, welches der an der Insel Bornholm in zwei Gletscherströme zerrissene Ostsee-Großgletscher aufgenommen und an Rügens Ostküste abgelagert hatte, war durch holozäne Erosionsprozesse günstig in Blockpackungen und Blockstränden aufgeschlossen und leicht erreichbar. Da das Steinmetzverfahren zur Herstellung von passgenauen Werkstücken auf einer in den Stein geschlagenen Rinne (Keilnut) beruhte, sei zu überlegen, ob die angeblichen „Blutrinnen“ in Wirklichkeit Reste von solchen technischen Spaltrinnen darstellten.

Zur Spaltung eines Werkstücks wurde zunächst dort, wo der gewünschte Riß entstehen sollte, mit dem Schröter eine kleine Nut gezogen. Es folgte danach das Einarbeiten der Keillöcher mit dem Spitzeisen oder einer durchgehend eingearbeiteten Keilnut. In die Löcher oder Nut wurden in nicht zu großen Abständen Keile eingesetzt und mit einem Hammer eingetrieben, wodurch der Werkstein zum Spalten gebracht wurde.

Die Anzahl der bekannten Funde von „Opfersteinen“ auf Rügen war zunächst zu gering, um die geologische Erklärung zu bestätigen und um Aussagen zur Datierung und Funktion der Rinnen machen zu können. Erst durch intensive Geländebegehungen seit 1999 und Auswertung von Archivgut trat eine für die Fragestellung beträchtliche Materialvermehrung ein. Die Auffindung von halbierten Blöcken, die an einer Kante noch die Fase einer Keilnut aufwiesen und der geographische Zusammenhang von Steinvorkommen, Steinschlägerspuren und „Opfersteinen“ (Rinnensteinen) gab schließlich den Ausschlag für die hier vorgeschlagene ausschließlich technische Interpretation der Befunde.

Die rund oder halbrund verlaufenden Rinnenspuren mit runden, flächigen Absprengungen von ungefähr 40 cm Durchmesser am Opferstein von Quoltitz wurden schon im „Slawencorpus“ als Hilfslinien zu Abspaltung von Handmühlsteinen gedeutet. Ähnliche runde Abspaltungsspuren wurden nach neuerlicher Sichtung des Materials auch an den „Opfersteinen“ von Nipmerow und Sagard festgestellt. Die an diesen Steinen gewonnenen einfachen Granitmühlen, bestehend aus einem Unterlieger und einem Läufer, ließen sich in Befunden slawischer Zeitstellung nachweisen, so daß allgemein eine Datierung in das frühe bzw. slawische Mittelalter anzusetzen sein dürfte. So war im Fundgut der slawischen Siedlung von Lancken-Granitz auch das Fragment einer Drehmühle aus Granit enthalten, die von den Abmessungen her zu den runden Bearbeitungsspuren an den „Opfersteinen“ von Quoltitz, Nipmerow und Sagard passen könnte. Zur Herstellung der Unterlieger von Handmühlsteinen wurden offenbar große, nur leicht gewölbte, durch Eisschliff geglättete Granitgeschiebe ausgesucht, bei denen von vorbereiteten Rinnen ausgehend Teile der Steinoberfläche abgetrennt wurden. Zurück blieb dann, wie bei den Granitblöcken von Nipmerow, Quoltitz und Sagard, eine charakteristische, netzartige Struktur.

Opferstein Klein Kubbelkow, Rügen

Der 2010 bei Grabungen des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege entdeckte "Opferstein" erwies sich als Rohblock für die Mühlsteinproduktion im 2. Jh. n. Chr.


Die geraden oder nur schwach gebogenen Rinnen bereiteten die Spaltung von konturierten bzw. paßgenauen Werkstücken vor. Überwiegend handelte es sich um einfache Erzeugnisse wie Bordsteine und Fundamentquader, da die Verwitterungseinflüssen ausgesetzten Findlinge für bildhauerische Arbeiten nicht die notwendige Qualität aufwiesen. Diese „Rinnensteine“ dürften zum größten Teil in der Neuzeit entstanden sein. Mit der Entwicklung des Straßen- und Hafenbaus nach der Zuordnung Rügens an Preußen 1815 war die Nachfrage nach dem „billigem“ Material vor Ort sprunghaft angestiegen, was zur Entwicklung neuer Berufszweige, der Steinzanger oder Steinfischer für den marinen und der Steinschläger für den Festlandsbereich, geführt hatte.

Die Arbeitsweise der Steinschläger ließ sich aus Urkunden, sowie den Spuren am Gestein und im Gelände erschließen. Danach umfaßte sie verschiedene Teilschritte: Prospektion, Brechen und Abtransport. Wie aus den Akten des Klosters St. Annen und Brigitten in Stralsund ersichtlich war, wurde die Steinausbeute durch Vereinbarungen mit den Grundeigentümern vorbereitet. Die Steinschläger, die entsprechend den bewilligten Feldern vorgingen, arbeiteten auf Bestellung in einem enggefaßten geographischen Gebiet. Als Auftraggeber trat zum Beispiel die Bauinspektion der Stadt Stralsund aber auch das Kloster St. Annen und Brigitten selbst auf. Sie bestellten 1857 wie in den Jahren davor über die Bauinspektion, welche offenbar die Konzession zum Steinabbau in der Gemarkung Quoltitz erhalten hatte, Baustoffe aus der Feldmark von Quoltitz:

„Da das Provisorat des Klosters St. Annen und Brigitten sich am 6ten Februar dieses Jahres bereit erklärt hat, im Fall des durch uns zu bewirkenden Schlagens von Klopfsteinen zu Quoltitz ein Quantum von 200 Schachtruthen (1 Schachtruthe=4,452 m³) gesprengter oder geschlagener Bausteine für den Preis a Schachtruthe von 1 Reichsthaler 15 Silbergroschen zu übernehmen und wir in Folge dieses Anerbietens

118 1/4 Schachtruthen ganze Kopfsteine
18 Schachtruthen halbe Kopfsteine
183 Schachtruthen Fundamentsteine
2498 laufende Fuß Saumsteine

für unsere Rechnung haben schlagen lassen, so ersuchen das Provisorat wir ergebenst uns den Auslagebetrag für 183 Schachtruthen Fundamentsteine satt 24-28 Zoll hoch gesetzt, a 1 Reichsthaler 15 Silbergroschen mit 274 Reichsthaler 15 Silbergroschen zu erstatten und bemerken, daß das angegebene Quantum Fundamentsteine nach der am 25sten vorigen Monats geschehenen Aufmessung des Bauschreibers Peters wirklich vorhanden ist.

Stralsund, den 12. September 1857. Die Bauinspektion. Becker.“

Ein Maurermeisterbetrieb wurde mit der Steinschlägerarbeit beauftragt. Gemäß Pachtvertrag hatte dann der Pächter des Gutes Quoltitz die Aufgabe die Steine zum Hafen nach Polchow zu bringen, von wo sie nach Stralsund verschifft wurden.

Je nach Art der Bestellung wurde zur Teilung der Blöcke das Pulversprengverfahren oder die Spalttechnik mit Keilnut angewendet. Daneben wurden auch unbearbeitete Findlinge, zum Teil in Gruben, abgebaut. Sowohl die Herstellung der Sprenglöcher, als auch die Ausarbeitung der Rillen wurde bis zur Erfindung der Druckluftwerkzeuge mit Hand ausgeführt und erforderte neben guter physischer Konstitution einschlägige Kenntnisse der Steinmetztechniken. Mehrmals ließ sich beobachten, daß im Abstand von ungefähr 10 cm entlang der vorgesehenen Spaltlinie zwei parallele Rinnen so tief wie möglich ausgemeißelt worden waren. Danach wurde der Mittelgrat entfernt und die nunmehr U-förmige Rinne durch Ausmeißelung einer weiteren Rinne in der Mitte der Sohle weiter vertieft, bis insgesamt ein V-förmiger Querschnitt entstand. Da das Verhalten des Geschiebematerials, im Gegensatz zu anstehendem Fels im Steinbruch, schwer einschätzbar war, wurde der Spaltversuch offenbar schon beim geringsten Zweifel am Erfolg in jeder Arbeitsphase abgebrochen, wodurch dann auch die vielen unterschiedlichen Rinnenquerschnitte zu erklären wären. Gruben und Aushubhalden an halb gespaltenen Findlingen und innerhalb der Blockpackungsgebiete machten deutlich, daß größere Findlinge bis zur vorgesehenen Spaltstelle ausgegraben, vielleicht sogar unterhöhlt wurden, um das Eigengewicht auszunützen, und dann an der vorbereiteten Rinne durch eingetriebene Keile getrennt wurden. Wenn vermaßte Werksteine, wie zum Beispiel Bordsteine gewonnen werden sollten, blieb häufig ein Rest des Blocks mit der Fase der Spaltrinne und der Arbeitsgrube zurück (Abb. 13). Ohne weitere Bearbeitung liegengelassen blieben außerdem Fehlspaltungen, so zum Beispiel das interessante Exemplar von Ranzow mit beiden sich entsprechenden Fasen der Spaltrinne und Blöcke, bei denen der Spaltversuch erfolglos verblieben war. Weshalb allerdings der akkurat gespaltene Stein vor dem „Blocksberg“ bei Posewald liegenbleib, konnte nicht geklärt werden.

Die Steinschläger hinterließen tiefe Narben in Natur und Landschaft, die bis heute sichtbar blieben. So sah sich 1878 das Provisoriat des Klosters St. Annen und Brigitten in Stralsund gezwungen Regelungen zum Schutz der Umwelt zu erlassen:

„Euer Wohlgeboren erwidern wir auf Ihr Gesuch die Abfuhr von Steinen von Gr. Quoltitz betr. daß Ihnen diese Abfuhr unter folgenden Bedingungen gewähret sein soll:
Die Steine werden (nur) aus denjenigen Stellen entnommen, welche der Gutspächter dazu ausweist
Beim Ausgraben von Steinen sind die Löcher soweit die aufgeworfene Erde reicht wieder zuzuwerfen
Etwa beim Sprengen oder Schlagen der Steine zurückbleibenden Steinsplitter sind zu vergraben
Die Steine werden unentgeldlich verabfolgt (und behält das Provisoriat sich die Bestimmung vor, unter Umständen die weitere Abfuhr von Steinen wieder aufzuheben).
Stralsund, 16. III 1878“.

Noch schwerwiegender waren die Schäden, welche die Steinfischer hinterließen, da sie die Außenküsten Rügens ihres natürlichen Schutzes beraubten. Erst 1906 konnte per Polizeiverordung ein Verbot des Steinzangens durchgesetzt werden.

Neben den hier vorgelegten Ergebnissen zeigte die Materialaufnahme im Gelände aber auch, daß die großen erratischen Blöcke dennoch in vorgeschichtlicher Zeit in Funktionen, die keine rezenten oder vorgeschichtlichen Steinbearbeitungstechniken als Ursache hatten, einbezogen waren. So waren mehrere der „Rinnensteine“ zusätzlich mit sogenannten „Schälchen“ bedeckt, die in der vorgeschichtlichen Forschung seit jeher ebenfalls mit Kulthandlungen in Verbindung gebracht wurden, oder sie waren Teile von megalithischen Grabanlagen. Die Neuvorlage der „Schälchensteine“ von Rügen wäre allerdings eine Aufgabenstellung, die auf der Grundlage des durch die aktuelle Materialaufnahme erheblich vermehrten Materials als prähistorisch-archäologischer Beitrag gesondert behandelt werden sollte.

Fort Grahlhof auf Rügen

Nachdem Schwedisch-Pommern zusammen mit der Insel Rügen 1814/15 an Preußen gekommen war, sollte im Raum Stralsund-Rügen ein Schwerpunkt der preußischen Marine entstehen. Die „Marinestation“ auf der Stralsund vorgelagerten Insel „Dänholm“ legte dazu einen wichtigen Baustein. Auf Rügen realisierte man dagegen nur wenige der damals geplanten Befestigungen. Als Erstes wurde 1876 in Grahlhof vor dem strategisch wichtigen Fähranleger ein Fort errichtet. Durch Neuerungen in der Waffentechnik war es jedoch schon nach wenigen Jahren überholt und wertlos geworden. 1898 wurde es verkauft, die Gräben zugeschüttet, das Ziegelmauerwerk abgetragen. Nur das Wallmeisterhaus ist als einiger Überrest erhalten geblieben.

Fort Grahlhof, Insel Rügen, Wallmeisterhaus

Fort Grahlhof, Insel Rügen, Wallmeisterhaus